Tennisspielerin Kathrin Wörle-Scheller blickt auf den Schlüsselmoment vor ihrem Rücktritt zurück. Seit sie Fischen verlassen hat, formt die 36-Jährige in ihrer Heimat am Bodensee den Nachwuchs...

Exakt 30 Jahre ist es her – da nimmt ihre Geschichte ihren Ursprung. Mit gerade einmal sechs Jahren hat Kathrin Wörle- Scheller die ersten Trainerstunden bei ihrem Heimatverein TC Nonnenhorn am Bodensee. Zum Tennissport gelangt die heute 36-Jährige seinerzeit durch ihre Eltern und ihre beiden Brüder. Nach dem Abitur gelingt Wörle-Scheller der Sprung zu den Profis. Und es folgt eine achtbare Karriere, auf deren Pfad es die gebürtige Lindauerin auch nach Fischen zieht. Knapp zwölf Jahre spielt sie Einzel- und Doppelturniere auf der ganzen Welt. Viermal meistert sie die Qualifikation für die Australian Open und steht im Hauptfeld des ersten Grand-Slam-Turniers des Jahres. Zwischen 2003 und 2012 gewinnt Wörle-Scheller zehn Titel auf dem ITF Women’s Circuit – davon drei im Einzel und sieben mit einer Partnerin an ihrer Seite. Zudem schlägt die Rechtshänderin 2006 zweimal für das deutsche Fed-Cup- Team auf. Im Doppel erreicht sie Platz 99 der Weltrangliste, im Einzel ist ihre höchste Platzierung Rang 119, ehe sie vor sieben Jahren, 2013, ihre aktive Laufbahn beendet.

„Man kommt irgendwann an einen Punkt, an dem man am Flughafen sitzt und eigentlich gar nicht mehr weiß, wo man noch vor zwei Wochen war. Das wollte ich so nicht mehr“, erinnert sich Wörle-Scheller an ihre damaligen Beweggründe für den Rücktritt.

Der ausschlaggebende Punkt ist 2013 aber ein anderer. „Ich hatte zu diesem Zeitpunkt frisch geheiratet, mein Mann und ich haben uns entschieden, eine Familie zu gründen, und ich bin 2013 auch schwanger geworden“, erzählt die heute zweifache Mutter. Rückblickend auf ihre aktive Zeit als Tennisprofi ist Wörle-Scheller aber äußerst zufrieden. Lediglich ein Ziel sei unerreicht geblieben, wie die gebürtige Lindauerin gesteht: „Ich wollte immer unter die Top-100 der Einzel-Weltrangliste.“ Das wäre ein hilfreicher Schritt gewesen, insbesondere, da sie sich so nicht immer durch die drei Qualifikationsrunden der Grand Slams hätte kämpfen müssen. „Leider hat das nie geklappt. Wenn ich heute zurückblicke, bin ich aber trotzdem glücklich über meine Karriere“, sagt die deutsche Mannschaftsmeisterin von 2011.

Über die Dauer ihrer aktiven Karriere lebt Wörle-Scheller größtenteils in Fischen. Über acht Jahre wird sie in dieser Zeit im Oberallgäu von ihren Brüdern Lothar und Roland gemanagt und trainiert: „Als meine Brüder 2006 den Sportpark in Fischen übernommen haben, war das, durch die Trainingsmöglichkeiten vor Ort, optimal. Fischen war seitdem meine Hauptstation.“ Mittlerweile hat sich der Lebensmittelpunkt von Wörle-Scheller wieder in ihre Heimat verlagert – heute wohnt sie in Wasserburg am Bodensee.

Lizenz-B-Trainerin des DTB

Nach der Geburt ihres ersten Kindes spielt Wörle-Scheller zwar noch vereinzelte Turniere, auf die internationale Bühne kehrt sie nach ihrem Rücktritt aber nie wieder zurück. Stattdessen steht ab 2013 die Familie klar im Vordergrund. Dennoch bleibt die ehemalige Profispielerin eng mit ihrem Sport verbunden. Mittlerweile ist Wörle-Scheller eine vom Deutschen Tennisbund (DTB) lizenzierte B-Trainerin und seit dem vergangenen Jahr auch Jugendwartin sowie Trainerin bei ihrem Heimatverein TC Nonnenhorn: „Dort trainiere ich alle Altersklassen, hauptsächlich aber Jugendspieler. Ich möchte meine Erfahrung und meine Leidenschaft für das Tennis nutzen, um dem Club, in dem ich angefangen habe, etwas zurückzugeben“, sagt die 36-Jährige.

Aufgrund des erneuten Lockdowns ist das aktuell allerdings nicht möglich. „Zurzeit geht leider nichts. Man muss sehen, wie das Ganze weiterläuft“, sagt Wörle- Scheller. Dennoch bleibt die ehemalige Fed-Cup-Spielerin optimistisch – immerhin war es nach dem ersten Lockdown recht schnell wieder erlaubt, kontaktlosen Sport auszuüben. Deshalb kann sich Wörle- Scheller auch vorstellen, „dass unser Sport nach dem Lockdown einen kleinen Boom erlebt.“ Trotz der derzeit schwierigen Situation hat Wörle-Scheller in beruflicher Hinsicht ein klares Ziel vor Augen. „Ich möchte das spielerische Level in unserem Verein auf ein höheres Niveau bringen. Gerade im Jugendbereich“, sagt die Trainerin. Gleichzeitig verweist Wörle-Scheller aber auch auf die generelle Nachwuchsproblematik im deutschen Tennis: „Es ist für die meisten Vereine sehr schwierig, Kinder und Jugendliche zu gewinnen. Wir mussten bereits eine Spielgemeinschaft mit unserem Nachbarclub gründen, um genügend Spieler für unsere Mannschaften zu haben“, sagt die 36-Jährige. Ich persönlich versuche daher meinen Beitrag zu leisten, damit es wieder aufwärts geht.“


Zwischen diesen Fotos liegen zehn Jahre: Kathrin Wörle-Scheller in der ersten Runde der Australian Open 2010 – heute genießt die 36-jährige zweifache Mutter das ruhige Leben in Wasserburg am Bodensee (Fotos: imago, Wörle Archiv)

VON NOA HÜPER (Allgäuer Zeitung, 5./6. Januar 2021)